Der gewalttätige Konflikt in Thailands Hauptstadt Bangkok zwischen der United Front for Democracy against Dictatorship (UDD) – auch bekannt als Rothemden – und der Regierung endete am 19. Mai mit einer Militäroperation und der Kapitulation der Führer der Bewegung. Im Laufe des zwei Monate andauernden Konflikts starben über 80 Menschen, Hunderte wurden verletzt. Die meisten der Opfer waren Zivilisten.
Die Berichterstattung in den nationalen und internationalen Medien konzentrierte sich auf die Positionen und Äußerungen der beiden Konfliktparteien. Wenig beachtet wurde die Rolle thailändischer Nichtregierungsorganisationen (NROs), und das, obgleich sich diese während des Konflikts wiederholt öffentlich zu Wort meldeten und Lösungswege für den Konflikt vorschlugen.
Positionen wichtiger NRO-Netzwerke
Im Folgenden stellen wir die Positionen zweier wichtiger NRO-Netzwerke in Thailand vor, zweier Netzwerke, die sich aktiv in die politischen Debatten eingemischt haben. Das Coordination Network of NGOs (NGO-COD) ist ein landesweit aktives Netzwerk, in dem mehrere entwicklungspolitische NROs vertreten sind. Das Anti Civil War Network besteht aus NROs, die sich kürzlich erst zusammengeschlossen haben, um Auswege aus der politischen Krise zu finden. Mitglieder dieses Netzwerks sind unter anderen das Peaceful Solution Network, das AIDS Infectious Network, das For Consumers Network, das Alternative Agriculture Network und FTA Watch.
Beide Netzwerke unterstützen Proteste und Demonstrationen als Mittel für politisches Handeln, treten aber für eine friedliche Lösung von Konflikten ein. Das Volk muss das Recht haben, seine politischen Ansichten frei auszudrücken, jedoch muss dies friedlich geschehen. Die NRO-Netzwerke sehen in Protesten und Demonstrationen wichtige demokratische Werkzeuge, durch die die Öffentlichkeit Bedürfnisse zum Ausdruck bringen kann, die ansonsten von den Mächtigen ignoriert werden.
Demokratische Werkzeuge
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Regierung auf die Bedürfnisse der Menschen nur wenig eingeht, wenn diese allein in Diskussionen oder Petitionen formuliert werden. Es ist jedoch außerordentlich wichtig, dass Demonstrationen und Proteste friedlich verlaufen und keine Aktionen unternommen werden, die zu Gewalt führen können. Für die NRO-Netzwerke kommen Gewalt und Unterdrückung nicht in Frage; auf beiden Wegen werden sich die Probleme, die jahrelang schon in der Gesellschaft vorhanden sind, nicht lösen lassen.
Die Anführer der Proteste müssen die Interessen der Protestierenden vertreten, sie müssen verantwortungsbewusst handeln und in der Lage sein, die Mengen tatsächlich zu „führen“. Während des aktuellen politischen Konflikts in Thailand gelang es den Anführern häufig nicht, die Lage unter Kontrolle zu behalten – was zu weiterer Gewalt und Unterdrückung von Seiten der Armee und Regierung führte.
Konflikte friedlich lösen
Die Art, in der die Regierung auf die politischen Proteste reagiert hat und gegen sie vorgegangen ist, wird von den NROs sehr kritisch gesehen. Wie andere auch, haben die beiden Netzwerke die Regierung dazu aufgerufen, die Konflikte friedlich zu lösen. Sie haben vorgeschlagen, zu verhandeln und Kompromisse zu finden, mit denen alle leben können. Dass die Verhandlungen zwischen der Regierung und den Anführern der Rothemden scheiterten, der vom Premierminister vorgeschlagenen Plans zur Versöhnung abgelehnt wurde, führte zur gewaltsamen Niederschlagung der Proteste. In der Folge übernahm die Armee die Kontrolle und versuchte, wie sie es nannte, „die Orte des Protests einzugrenzen“.
Sowohl das Anti Civil War Network als auch das NGO-COD sprachen sich gegen die von der Regierung betriebene gewaltsame Unterdrückung der Proteste aus. Ihrer Meinung nach hätte die Regierung mehr Geduld beweisen, mehr Toleranz gegen Andere in der Gesellschaft zeigen sollen, denn schließlich hat sie die Macht und kann diese zum Guten wie zum Schlechten ausüben. Die Regierung hätte sicherstellen müssen, dass die beteiligten Regierungsbehörden die Situation nicht unnötig ausnutzen und dass Gewalt, gleich in welcher Form, nicht angestachelt wird. Den Netzwerken zufolge hätte die Regierung eine Reihe von Mitteln und Maßnahmen nutzen sollen, um den Konflikt friedlich zu beenden.
Besonders im Scheitern des fünfstufigen Regierungsplans zur Versöhnung sieht das NGO-COD ein einschneidendes und schwerwiegendes Ereignis in der Geschichte Thailands.
Spirale der Gewalt beenden
Die Folgen, was Tote, Verletzte und den bleibenden Hass anbetrifft, haben gezeigt, dass sowohl die Regierung, wie auch die Anführer der Rothemden (UDD) auf Kosten ihrer Mitmenschen um politische Vorteile gekämpft haben. Obwohl es im Laufe der vergangenen zwei Monate jederzeit Möglichkeiten und Mittel gab, die Spirale der Gewalt zu beenden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren, entschieden sie sich für den Konflikt. Das Anti War Network teilt diese Ansicht und weist darauf hin, dass die immer nachdrücklicher werdenden Forderungen von Unterstützern beider Seiten, den Konflikt rasch zu beenden, zum Ausmaß und zur Härte der Gewalt beigetragen haben. Die Regierung hätte mehr Geduld und Toleranz beweisen müssen und derartige Forderungen nicht als Vorwand für gewaltsame Aktionen nehmen dürfen.
Durch Gewalt, die Unterdrückung abweichender Meinungen und die Verletzung von Bürgerrechten, inklusive Staatsstreiche, können die Konflikte, die die thailändische Gesellschaft seit Jahren durchmacht, nicht gelöst werden. Der Einsatz von Kriegswaffen, sei es durch die Regierung oder die anderen Beteiligten, wurde von beiden Netzwerken und anderen Organisationen wie dem Focus on the Global South einstimmig verurteilt. Beide Netzwerke verlangen, dass die Regierung die volle Verantwortung für die Toten und Verletzten übernimmt.
Verletzung von Bürgerrechten
Während des Konflikts haben Mitglieder der Zivilgesellschaft die Regierung Thailands wiederholt dazu aufgefordert, sofort die Gewalt einzustellen und sämtliche bewaffnete Einheiten bedingungslos aus den Konfliktgebieten abzuziehen. Die Netzwerke verlangen, dass alle Seiten, die in den vergangenen zwei Monaten am Tod und an der Verletzung von Menschen Schuld hatten, die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und sich gleichermaßen den rechtlichen Folgen stellen.
Zudem sollten alle Teile der Gesellschaft ernsthaft und andauernd Gewaltausbrüche überwachen, um so die Reform der thailändischen Gesellschaft voranzubringen, Ungerechtigkeit zu bekämpfen und wirtschaftliche, soziale und politische Fairness auf demokratische und friedliche Weise zu erreichen. Einige NROs verlangen, dass die Regierung und die UDD dem Einsatz internationaler Beobachter zustimmen, die eine friedliche Lösung des aktuellen Konflikts überwachen sollen. Politische Meinungsverschiedenheiten sollten von keiner Seite dazu benutzt werden, Hass zu schüren. Sowohl die Regierung Thailands, als auch alle Teile der thailändischen Gesellschaft, müssen Frieden und Fairness als unantastbare Prinzipien bei der Lösung aller Konflikte anerkennen.
Frieden und Fairness als unantastbare Prinzipien
Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern alle Seiten dazu auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Sowohl die Regierung als auch die UDD müssen den Verhandlungsprozess wieder aufnehmen und sich dazu bekennen, im Sinne aller Thais zu handeln – und nicht nur für einzelne Fraktionen oder Gruppen. Verhandlungen sind jederzeit möglich. An solchen Verhandlungen müssen sämtliche Parteien beteiligt sein. Besonders die UDD muss in der Öffentlichkeit bekannte Vertreter finden, hinter denen die Mehrheit ihrer Unterstützer steht.
Über die Themen, über die diskutiert und verhandelt wird, müssen diejenigen entscheiden, die am Verhandlungsprozess teilnehmen. Vorgeschlagen wurde, dass Verhandlungen mit Punkten beginnen, an deren Lösung alle Seiten interessiert sind und auf die man sich rasch einigen kann; das würde weiteren Verhandlungen Auftrieb geben. Weitere entscheidende Themen wie politische Reformen, eine Verfassungsreform, die Rolle der politischen Parteien usw., könnten später angegangen werden.
Tiefgreifende Reformen notwendig
Das NGO-COD hält es für notwendig, zumindest dem Versöhnungsplan der Regierung zu folgen. Zudem schlägt es vor, und andere NROs tun das auch, dass die Regierung das Parlament auflöst und Neuwahlen für den November 2010 ausruft. Eine unabhängige Kommission sollte eingesetzt werden, deren Aufgabe es ist, die Gewalt, die aus politischen Gründen heraus entsteht, zu untersuchen – um dann politisch und rechtlich verantwortungsbewusste Personen zu finden.
Nach Meinung der NRO-Netzwerke hat der aktuelle politische Konflikt seine Ursachen in der lange zurückreichenden Ungerechtigkeit in Thailand. Besonders die Unterstützer der UDD – vor allem die Armen auf dem Lande – sind von fast allen Regierungen hart und ungerecht behandelt worden. Ihre Rechte wurden beschnitten oder ihnen ganz geraubt, und eine Doppelmoral herrschte vor. Eine Reihe Aktiver aus Reihen der Zivilgesellschaft fordert deshalb landesweite Reformen. Dazu gehören politische Reformen (Verfassung, Wahlgesetze, politische Parteien usw.), das Recht, Zugang zu natürlichen Ressourcen zu haben, Beteiligungsrechte, Zugang zum Justizsystem, Einkommensverteilung usw. Dies wäre ein langfristiger Prozess, aber die gegenwärtige politische Lage könnte den nötigen Schwung verleihen, um solche überfälligen Diskussionen und Debatten anzugehen.
Rolle der Medien
Die Medien würden beim Reformprozess ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Sie sollten der breiten Öffentlichkeit Tatsachen mitteilen – und keine Vorurteile oder Kommentare verbreiten, es sei denn, deren Quelle wird klar benannt.
Was die NROs angeht, so müssen sie auf Ausgleich setzen. Unterschiedliche NROs sehen den Prozess politischer Reformen mit unterschiedlichen Augen. Einige haben sehr klare Positionen, andere setzen eher auf Kompromisse. Das Anti Civil War Network empfiehlt, dass NROs sich nicht auf eine Seite schlagen, sondern sich darum kümmern sollen, dass Themen und Inhalte in der Gesellschaft verstanden werden.